So das Gericht in seinem Urteil vom 2. Dezember 2022 (Az.: 19 Sa 756/22), in dem neben einem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO auch ein solche Anspruch auf Schadensersatz streitig war. Das Gericht sieht hier das genannte Erfordernis und führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Aus Sicht der Kammer genügt allein der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO nicht, um einen Schadenersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 18. November 2021 – 10 Sa 443/21 – zu II 4 der Gründe; aA BAG 26. August 2021 – 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 33; LAG Hamm 14. Dezember 2021 – 17 Sa 1185/20 – zu II 2 e der Gründe). Es handelt sich nicht um einen von dem Vorliegen eines konkreten Schadens losgelösten „Strafschadenersatz“. Erforderlich ist das Vorliegen eines immateriellen Schadens (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 6. Oktober 2022 – C-300/21 – Rn. 27-55 Celex-Nr. 62021CC0300; in diese Richtung gehend bei der Nichterfüllung oder unvollständigen Erfüllung des Auskunftsanspruchs, im Ergebnis aber offenlassend BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 11). Dafür spricht der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach Personen, denen ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz haben. Die reine Sanktionierung von Verstößen ist davon losgelöst durch die Geldbußen nach Art. 83 DSGVO und weiteren Sanktionsmöglichkeiten nach Art. 84 DSGVO geregelt. Zwar soll nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 DSGVO der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entspricht. Ein weites Verständnis des Schadensbegriffs bedeutet aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen ist. So beinhaltet Erwägungsgrund 146 Satz 6 DSGVO, dass die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten sollen….
Art. 82 Abs. 1 DSGVO enthält aus Sicht der Kammer auch keine – unwiderlegbare oder widerlegbare – Vermutung dahingehend, dass der mit einem Verstoß gegen die DSGVO einhergehende Kontrollverlust über die eigenen Daten als solcher stets zu einem ersatzfähigen immateriellen Schaden führt. Die auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO klagende Partei hat einen immateriellen Schaden darzulegen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 6. Oktober 2022 – C-300/21 – Rn. 56-77 Celex-Nr. 62021CC0300). Zwar enthalten die Erwägungsgründe 75 und 85 DSGVO die Aussage, eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten könne einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen nach sich ziehen, wenn sie gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren (vgl. Erwägungsgrund 75 und 85 Satz 1 DSGVO). Diese Erwägungsgründe benennen jedoch lediglich eine Möglichkeit und keine zwangsläufige Folge. Im Übrigen verhalten sie sich nicht zur Auslegung der Generalklausel des Art. 82 Satz 1 DSGVO (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 6. Oktober 2022 – C-300/21 – Rn. 61 f., 98 f. Celex-Nr. 62021CC0300). Der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO beinhaltet keine Vermutungsregel. Auch die Beweisregel des Art. 82 Abs. 3 DSGVO bezieht sich nicht auf eine Schadensvermutung….
Dem Vortrag der Klägerin ist die Darlegung eines konkreten immateriellen Schadens nicht zu entnehmen. Sie stellt sich mit Schriftsatz vom 31. Mai 2022 vielmehr auf den Standpunkt, allein ein Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO begründe einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO und bereits der auch in ihrem Fall eingetretene Verlust über die Kontrolle der Daten könne nach den Erwägungsgründen 75 und 85 DSGVO einen immateriellen Schaden begründen. Vortrag dahingehend, welcher konkrete immaterielle Schaden ihr aufgrund der um drei Wochen verspäteten Auskunftserteilung entstanden ist, ist nicht erfolgt….
Ein ausdrücklicher richterlicher Hinweis, dass die Darlegung eines Schadens aus Sicht der Kammer erforderlich ist, war nicht geboten, da die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 29. März 2022 die fehlende Darlegung eines Schadens gerügt hat und die Kammer zudem im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2022 darauf hingewiesen hat, dass die Frage des Erfordernisses der Darlegung eines konkreten immateriellen Schadens Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens sei…
Angesichts der fehlenden Darlegung eines Schadens kann dahinstehen, ob eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten sein muss, um eine Schadenersatzpflicht auszulösen, also Bagatellfälle ausgenommen sind (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 6. Oktober 2022 – C-300/21 – Rn. 95-116 Celex-Nr. 62021CC0300: Der Ersatz immaterieller Schäden erstreckt sich nicht auf bloßen Ärger, zu dem die Verletzung der Vorschriften bei der betroffenen Person geführt haben mag; vgl. dazu auch BVerfG 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 – Rn. 21 mwN; eine Bagatellgrenze ablehnend BAG 26. August 2021 – 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 33; LAG Berlin-Brandenburg 18. November 2021 – 10 Sa 443/21 – zu II 4 der Gründe; LAG Niedersachsen 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 – zu C II 6 b dd (5) (b) der Gründe; LAG Hamm 11. Mai 2021 – 6 Sa 1260/20 – zu B I 2 c der Gründe)…“